1989/1990
Bereits Ende des Jahres 1988 steigt in der SED Zentrale wegen der ständig schwieriger werdenden wirtschaftlichen Lage der DDR die Nervosität. Die Sowjetunion steckt in einer tiefen ökonomischen und politischen Krise. Um das Wettrüsten zu beenden und damit ihre Militärausgaben zu begrenzen, unterschreiben die Staaten des Warschauer Pakts im Januar 1989 das Wiener KSZE-Abkommen. Darin verpflichten sie sich, das Recht für alle Bürger zu garantieren, ausreisen und wieder zurückkehren zu dürfen. Am 03. April 1989 ordnet Erich Honecker informell die Aufhebung des Schießbefehls an der Mauer an.
Wir sind das Volk
Am 04.09.1989 demonstrieren 1200 Menschen im Anschluss an das montägliche Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche mit den Rufen „Wir wollen raus!“ und „Wir sind das Volk“ für Ihre Ausreise in den Westen. Die folgenden Montagsdemonstrationen finden zusätzlich auch in anderen Städten statt, insgesamt nehmen mehrere hunderttausend Menschen teil. Die Polizei geht teilweise mit Verhaftungen und Gewalt gegen die Demonstranten vor. Ende September besetzen über 10.000 DDR-Bürger die Botschaft der Bundesrepublik in Prag, um ihre Ausreise zu erzwingen. Am 30. September gibt die DDR nach und lässt die Flüchtlinge ausreisen. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet vom Balkon der Prager Botschaft aus die Nachricht. Am 06. November 1989 veröffentlicht die SED-Führung einen neuen Reisegesetzentwurf, welcher den Gesamtreisezeitraum auf 30 Tage pro Jahr beschränkt und „Versagensgründe“ enthält, die für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar sind. Am 09. November 1989 erklärt das SED-Politbüro-Mitglied Günter Scharbowski auf einer internationalen Pressekonferenz, dass der Reisegesetzentwurf in veränderter Form in Kraft tritt. Dieses beinhaltet, dass es jedem DDR-Bürger ab sofort möglich ist, über so genannte Grenzübergangspunkte die DDR zu verlassen. Daraufhin ziehen mehrere tausend Ostberliner zu den Grenzübergängen in der Stadt und verlangen die sofortige Öffnung. Um den großen Druck der Menschenmassen zu mindern, wird am Grenzübergang Bornholmer Straße um 21.20 Uhr den ersten Ostdeutschen erlaubt, nach West-Berlin zu reisen.